Nachkriegszeit

Versorgung

Neben dem großen Wohnungsproblem stellte sich als weiteres die Versorgung der Flüchtlinge mit Lebensmitteln und Heizmaterialien dar, hatten viele Hiesige doch selbst kaum genug zum Überleben. Die Rationen, die man aufgrund der Lebensmittelkarten bekam, waren für eine Person zeitweise auf unter 1000 Kalorien pro Tag angesetzt – heute eine Diät-Kur! Wer nur auf Lebensmittelkarten angewiesen war, musste hungern. Die Versorgungslage war für viele Flüchtlinge kaum zu bewältigen. 
Während die Hiesigen, die im Voll- oder Nebenerwerb landwirtschaftliche Betriebe unterhielten, als Selbstversorger besser gestellt waren und andere sich über den Schwarzmarkt noch einiges an Lebensmitteln beschaffen konnten, war dies für die Flüchtlinge nicht möglich, da sie nichts zum Tauschen hatten. 
‚Not kennt kein Gebot! ‘ war zwangsläufig für viele die Devise. Es gab so manchen Mundraub, indem heimlich fremde Kühe nachts auf den Koppeln gemolken oder bereits vor der Ernte Kartoffeln von ihnen ausgegraben wurden. 
Alles Essbare in Wald und Flur wurde gesammelt: Löwenzahn, Sauerampfer und junge Brennnessel ergaben einen vitaminreichen Spinat; Fliederbeeren einen Saft, der gut gegen Erkältung wirkte. Sämtliche genießbaren wilden Beeren und Früchte wie Himbeeren, Brombeeren und Hagebutten sowie Pilze wurden verwertet. 
Auf den Feldern der Bauern wurde nach den Ernten nachgestoppelt, d.h. dass liegengebliebene Getreideähren aufgesammelt und zur Mühle gebracht wurden, um sie dort gegen das so dringend benötigte Mehl einzutauschen. Auch so manche Kartoffel oder Steckrübe sammelte bzw. grub man nach der Ernte noch aus den abgeernteten Feldern.
Zur Minderung der Notlage richtete die Gemeinde im Wirtschaftsteil des Hauses 100 eine Volksküche ein, in der die Flüchtlinge sich täglich eine warme Mahlzeit holen konnten. Schrebergärten wurden auf einem Feld gegenüber dem heutigen Lagerplatz der Gemeinde angelegt, in denen sie Parzellen zum eigenen Anbau von Kartoffeln und Gemüse zugewiesen bekamen. 
Nachdem die Schule wieder ihren Unterricht aufnehmen konnte, gab es dort für die bedürftigen Kinder eine Schulspeisung, d.h. einen warmen Eintopf. Diese Schulspeisungen wurden von Quäkern aus den USA gespendet. 
Auch die Beschaffung von Heizmaterial war kritisch. Schwer auszugrabende Baumstubben wurden gerodet und die umliegenden Wälder und Knicks vom Unterholz und Reisig leergefegt. Viele Flüchtlinge halfen den Torfbauern bei ihrer schweren Arbeit und erhielten als Gegenleistung Lebensmittel oder Torf, der aber zum Heizen nicht ausreichte.
Einige erinnern sich noch an die Eisblumen, die sich bei Frost wegen der Feuchtigkeit und mangelnder Wärme an den Innenseiten der Fenster ihrer Wohnstuben gebildet hatten. Wollte man durch diese Fenster einen Blick nach draußen werfen, musste durch mehrmaliges Anhauchen erst ein Guckloch geschaffen werden.