Fundsachen

Vom Schummeln beim Schlachten und andere Döntjes

In vielen Privathaushalten war es früher üblich, dass man Schinken und Würste aus der Hausschlachtung selbst räucherte.
Dafür gab es in vielen Häusern kleine Räucherkammern. Zum Räuchern benötigte man Sägespäne, die aus den Tischlereien geholt wurde.
Als ein junges Mädchen einmal  Sägespäne aus einer Bautischlerei in der Mühlenstraße holen sollte, wurde sie – weil gerade Mittagspause – vom Tischler auf den Werkstattboden geschickt, um sich dort selbst zu bedienen.
Oben angekommen, erschrak sie (fast) zu Tode, denn dort standen mehrere Särge, was bei Tischlereien ja nicht ungewöhnlich ist. Aber diese Särge waren geöffnet, und es lagen Menschen drin!
Entsetzt lief sie die Bodentreppe hinunter. Unten angekommen,  wurde sie beruhigt: Was sie oben in den Särgen gesehen hatte, waren keine Toten, sondern Tischlergesellen, die es sich zur Mittagspause in den Särgen zum Mittagsschlaf gemütlich gemacht hatten!
In der gleichen Tischlerei ging man mit den bereits erwähnten Särgen, die nur noch vor ‚Anwendung’ gebeizt werden mussten,  recht pragmatisch und spielerisch um.
Man lagerte in ihnen Winteräpfel ein, wobei diese, in Zeitungspapier verpackt, ständig auf Schadstellen kontrolliert werden mussten.
Bei einer Kontrolle wegen Schwarzschlachterei wurden zwei frisch geschlachtete (angeblich noch blutende!) Schweinehälften in den Särgen versteckt.
Der schwarze Leichenwagen, der  üppig mit  im Barockstil versehenen silberfarbenen Putten und anderen Figuren geschmückt war und in der Remise der Tischlerei stand,  wurde  auch dazu genutzt,  die in großen Wannen eingelagerten Fleischteile aus der Schwarzschlachterei vor den Kontrolleuren zu verstecken. Hinter den zugezogenen schwarzen Vorhängen mit den dicken Kordeln waren sie vor Entdeckung einigermaßen sicher.
Auch wurde um die Särge herum das Walzertanzen geübt, wobei die Töchter des Tischlermeisters von einem dort tätigen Gesellen  angeleitet wurden.
Zum Versteckspielen eigneten sich die Särge besonders gut. Wenn eines der Mädchen in die Nähe der Särge kam, hob sich schon mal ein Sargdeckel einen Spalt, und die Hand eines Gesellen schaute heraus.
Ideenreich und kreativ war man auch, was die anderen verbotenen Aktivitäten anbelangte:
Aufgefallen ist dabei, dass im Vergleich zu früher mehr Stangenbohnen auf den Feldern zu sehen waren, hinter denen man den verbotenen Tabak-Anbau so gut verstecken konnte!
Ein Bauer hatte mal wegen Tabakmangels Holunderblätter getrocknet, in der damals noch von Hand betriebenen Brotschneidemaschine kleingeschnitten, in der Kaffeemühle gemahlen  und dann eine Portion in seine Porzellanpfeife gestopft. Das Rauchen ergab aber einen  dermaßen strengen Geruch, dass es  bei diesem Versuch geblieben war. ‚De Gestank gung gonni meir rut ut de Stuv!’, so eine Zeitzeugin.

 1967 besuchte ein ehemaliger Soldat meine Großmutter (Ernst-Otto Mewes). Er war gegen Kriegsende mit seiner Einheit bei meinen Großeltern untergebracht. Beide erzählten mir, dass die Soldaten regelmäßig nach Weddingstedt fahren mussten, wo sie Proviant erhielten. Zumindest nun, wo sie nicht mehr im Feld waren, schien die Verpflegung noch zu klappen. Sie wollten meiner Großmutter etwas Gutes tun. Vor einer Fahrt nach Weddingstedt legten sie sich einige von ihnen flach auf die Ladefläche. So wog der Lkw im Leerzustand mehr. Danach stiegen sie ab und im Proviantlager wurde ein halbes Rind extra aufgeladen, bis die erforderliche Menge stimmte. Dieses halbe Rind haben sie meiner Großmutter in die Küche gebracht, und sie hat es über Nacht mit zwei vertrauensvollen Freundinnen verarbeitet. Es musste hinter verdunkelten Fenstern geschehen, da eine bestimmte Nachbarin nichts davon wissen durfte. Sie trauten ihr nicht. Selbst mein Großvater, der kurz nach Kriegsende nach Hause gekommen war, hat noch, zwar ungläubig blickend, von diesem „Mehrangebot“ an Fleisch profitiert. Man konnte meiner Großmutter und dem ehemaligen Soldaten die „Spitzbübigkeit“ von den Augen ablesen, während sie genussvoll die Geschichte erzählten.
Sie verhehlten jedoch nicht, und auch nicht mehr ganz so spitzbübisch, dass sie alle mit dem Leben gespielt hatten. Die andauernde Lebensmittelknappheit und Entbehrung hatten diese Gefahr jedoch vollkommen in den Hintergrund gerückt.


Das Wiegeschwein
Nahrungsmittel waren knapp nach dem Krieg. Um die einzelnen Lebensmittel möglichst gerecht unter der Bevölkerung zu verteilen, wurden seitens der Behörden Bezugskarten (sogenannte Lebensmittelkarten) ausgeteilt, auf denen die Höhe des Bezugs der Lebensmittel genau auf die einzelnen Familien abgestimmt war.
Nur mit diesen Bezugsscheinen konnte man in den einzelnen Läden die entsprechenden Nahrungsmittel erwerben.
Eigene Hausschlachtungen mussten bei den Behörden gemeldet werden, damit diese bei der Zuteilung der rationierten Fleischwaren verrechnet werden konnten. Es war  natürlich günstig, ein möglichst mageres Schwein zu melden, um nicht zu viele Abzüge zu erhalten.
So kamen einige Hennstedter auf die trickreiche Idee, sich extra für diesen Zweck ein einzelnes mageres Schwein zu halten, sich dieses beim offiziellen Wiegen auf der Waage am Bahnhof  gegenseitig auszuleihen, um hinterher sein eigenes fetteres Schwein zu schlachten.
Das sogenannte ‚Wiegeschwein’   kannte allmählich seinen Weg, wenn es zum Bahnhof ging, und lief von ganz allein auf die Viehwaage.
Schwarzschlachten (also nicht angemeldetes Schlachten) war übrigens strengstens verboten und wurde bei Aufdeckung mit Gefängnisstrafen geahndet.
Trotzdem haben es viele riskiert, und einige sind auch mit den entsprechenden Konsequenzen erwischt worden.
Auch nach dem Kriege, in der Besatzungszeit, war Schwarzschlachten eine Straftat. Wer erwischt wurde (meistens durch Denunziation) wurde eingesperrt und war vorbestraft.

Als junger Feuerwehrmann wundert sich Ernst Otto Mewes in der 60er Jahren, weshalb einige an der  Feuerwehr interessierte Bürger nicht in der Wehr waren. Sie durften nicht, weil sie eben vorbestraft waren.


Buchdrucker Schultz hatte im Hennstedter Landboten, eine Zeitung, die er selbst herausgab,  zum 1. April  eine Anzeige erscheinen lassen, in der Kaufmann Thießen in der Schulstraße Butter zu einem Spottpreis (1 Pfund für 10 Pfg) anbot. Schalen waren dabei mitzubringen. (Kaufmann Thießen war in dieser Sache allerdings ahnungslos).
Am betreffenden Tag beobachtete Buchdrucker Schultz amüsiert, wie eine wahre  ‚Völkerwanderung’ auf den Straßen aus allen Richtungen zum Kaufmann Thießen stattfand, alle mit einer Schale oder einem ähnlichen Behältnis in der Hand.


Hier noch eine Begebenheit aus dem Feuerwehrleben in Hennstedt:
An einem sehr kalten Wochenende im Februar 1969 heulte kurz nach Mitternacht von samstags auf sonntags die Feuersirene am Marktplatz auf. Die Kameraden, die eiligst am Gerätehaus eintrafen, wunderten sich, dass niemand da war, der ihnen erzählen konnte, wo die Einsatzstelle war. Komischerweise blieb die Wohnung am Feuerwehrhaus, in der ein junger Kamerad wohnte, dunkel. Ratlos wurde verharrt, bis die Tür der Wohnung langsam geöffnet wurde. Heraus kamen die Bewohner und deren Gäste, mit denen sie gefeiert hatten. Nun stellte sich heraus, dass einer der Gäste, ein junger Landwirt, im Flur an den Schaltkasten gegangen war und die Sirene „aus Spaß“ angestellt hatte. Teils verärgert, teils belustigt ging es wieder nach Hause ins warme Bett. Auf der Jahreshauptversammlung wurde der betreffende Kamerad vom Wehrführer dazu verdonnert, einhundert DM in die Kameradschaftskasse zu zahlen und einmal musste er samstagmittags um 12 Uhr die Sirene zur wöchentlichen Probe anschalten. Sicherlich hatte der Wehrführer ihm vorher unter vier Augen wohl schon die Leviten gelesen. Der betreffende Kamerad konnte zudem nicht verhindern, dass er sich, zumindest zeitweilig,  den Spitznamen „Sirenen-Peters“ eingehandelt hatte, der auch heute noch manchmal genannt wird, wenn es um ihn geht und man ihn nicht gerade „Sackbauer“ nennt.


Futsches
Als eine Mutter in der Mühlenstraße einmal Futsches (Bratbälle) backte, schaute ihre kleine Tochter interessiert zu.  Vorsichtig wurde der flüssige Teig in die Aushöhlungen der Futschespfanne gegossen und nach halber Backzeit der schon fest gewordene Teig  umgedreht, damit auch die andere Seite schön braun und die Futsches schön rund wurden. Ab und zu kontrollierte  die Mutter das Feuer, indem sie die  Herdklappe öffnete und bei Bedarf die Glut mit dem Feuerhaken schürte oder ein Holzscheit nachschob. Auf einmal fing die Sirene an zu heulen. Es brannte – wie sie ein wenig später erfuhren – wieder einmal auf Kranzmoor (Es war nicht das erste Mal!).
Die Mutter ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Erst als alle Futsches gebacken und schön lecker mit Zucker bestreut gegessen waren, ging sie mit ihrer Tochter zur Brandstätte.  Sie wollte ihrem Kind einmal zeigen, was alles passieren kann, wenn man mit dem Feuer spielt.
Aber der erzieherische Effekt  ging wohl daneben; denn beim Anblick des Feuers, das bereits halbwegs gelöscht war,   rief die Tochter ganz aufgeregt: Mama, da kann man aber viele Futsches drauf backen!’

 

Logisch

Als Oma und Enkel einer Schlachterei-Familie einmal über den Friedhof gingen, um dort  das Grab von  'Opa'  zu besuchen, entdeckte der Enkel unterwegs auf einem der Grabsteine ein paar abgebildete Getreideähren. Auf Befragung, erklärte ihm Oma, dass dort ein Müller beerdigt worden ist, der in seinem Beruf  immer Kornähren zu Mehl gemahlen hatte. Prompt kam vom Enkel die Frage: Und warum sind auf Opas Grabstein keine Würstchen zu sehen?